Ernährung
 
       
    Vorsicht Geschmack  
       
 
Essen Sie gerne Wurst, dazu ein knuspriges Brötchen und ein kühles bayrisches Bier?

Dann sollten Sie «Vorsicht Geschmack» mit Vorsicht geniessen;
es könnte sein, dass Sie danach Ihre Leckerbissen nicht mehr mögen.

       
    Das Phyto-Hormon Genistein  
    Das Geschäft mit Fertigkost boomt, denn zum selber Kochen nehmen wir uns immer weniger Zeit. Was wir uns alles mit Fertiggerichten einverleiben... wir haben den Überblick längst verloren. Oder wussten Sie, dass wir pro Kopf durchschnittlich 5 kg Soja zu uns nehmen – versteckt etwa als «Lecithin» in tausenden von Nahrungsmitteln aus industrieller Produktion? Ähnlich verhält es sich mit anderen Zusatzstoffen. Die Folge: Immer mehr Leute entwickeln gegen einen oder mehrere Stoffe Unverträglichkeiten. 1992 untersuchte Dr. Hugh A. Sampson mysteriöse Todesfälle bei sechs amerikanischen Schulkindern; als Todesursache fand er nach langer detektivischer Kleinarbeit: einen Hamburger, ein Sandwich, Süssigkeiten.  
         
    Versteckte Allergene  
    Dass Kuhmilch, Soja und Fisch allergisch wirken können, ist schon länger bekannt; in wenigen Fällen kann bei besonders empfindlichen Menschen die Reaktion auf bestimmte Nahrungsmittel so stark sein, dass es zu einen anaphylaktischen Schock kommt; er führt zum Tod, wenn nicht sofort Gegenmassnahmen ergriffen werden. Da unsere Nahrung immer mehr Nahrungszusatzstoffe enthält, reagieren wir auch auf diese «Fremdstoffe» vermehrt mit Allergien und zeigen Symptome wie Asthma, Migräne, Ekzeme, hyperaktives Syndrom.

War es früher einfach, bestimmte Lebensmittel vom Speiseplan zu streichen und etwa auf Erdnüsse oder Shrimps zu verzichten, wird es heute immer schwerer, die Allergien auslösenden Stoffe ausfindig zu machen und ihnen aus dem Weg zu gehen.
 
       
    Lausiges Rot  
    Eine rote Wurst sieht besonders schmackhaft aus; gerne wird mit Farbstoffen etwas nachgeholfen. Mit welchen Farbstoffen welche Lebensmittel gefärbt werden dürfen, ist von Land zu Land verschieden. In Spanien etwa dürfen Würste mit E 120 (Echtes Karmin, Karminsäure) gerötet werden – mit Cochenille, einem Farbstoff, der aus getrockneten Schildläusen – befruchteten Weibchen – gewonnen wird; die charakteristische Farbe des Roten Martini verdankt das Getränk den kleinen Pflanzensaugern. Das hervorragende «Verbraucherlexikon der Lebensmittelzusatzstoffe» – es macht den zweiten Teil des Buches aus – enthält weitere Informationen zu Cochenille: 300 Tonnen getrocknete Läuse werden jährlich zu Farbe verarbeitet; sie wird in Form von Aluminiumlacken auch in Schminke und Lippenstiften eingesetzt.  
       
    China-Restaurant-Syndrom  
    Die Pendants zu Salz und Pfeffer in chinesischen und japanischen Restaurants sind oft Soya und Glutamat. Glutaminsäure (E 620) und ihre Salze, die Glutamate (E 621 bis E 625), sind Geschmacksverstärker; sie verstärken den Eigengeschmack der Speisen und maskieren Bittergeschmack. Die WHO hält bis zu 8 Gramm täglich als völlig harmlos. Voraussetzung ist allerdings, dass Sie sich vorher glutamatfrei satt gegessen haben, sonst können schon bei weitaus geringeren Dosen Nebenwirkungen auftreten. «Die bekannteste Nebenwirkung ist das ‹China-Restaurant-Syndrom›: Die Betroffenen klagen über Kopfschmerzen, trockenen Mund, Beklemmung in der Brust, Gliederschmerzen, Schwindel, Brechreiz, teilweise auch über nervöse Muskelzuckungen. Der Effekt tritt vor allem bei Verzehr auf nüchternen Magen (z.B. Suppe) auf. In China kein Problem, da einerseits die Suppe als ‹Nachtisch› gegessen wird und andererseits kohlenhydrathaltige Speisen wie Reis die Verträglichkeit erhöhen. Auch von Asthmaanfällen wurde berichtet. [...] Bei Menschen dient Glutamat als Appetitstimulans und fördert Übergewicht. Wird zur Behandlung von Epilepsie und Depressionen eingesetzt.»

Wer meint, Glutamate seien nur in der asiatischen Küche anzutreffen, irrt. Längst hat die Nahrungsmittelindustrie diese Stoffe – am wirkungsvollsten ist Glutamat in Verbindung mit Inositat (E 630 bis E 633) und Guanylat (E 626 bis E 629) – in ihr Repertoire aufgenommen. Geschmacksverstärker finden sich vor allem in Suppen, Sossen, Würzmitteln, Tomatenprodukten, Fisch- und Fleischgerichten, Gewürzmischungen, Brühwürfeln.
 
       
    Zusatzstoffimitate  
    Wenn bei einer Allergie nach mühsamer Diagnose endlich der Auslöser gefunden ist, kann sich der Allergiker noch lange nicht in Sicherheit wiegen. Immer wieder kann es passieren, dass der Allergie auslösende Stoff nicht deklariert ist. Sei es, dass sein Gehalt zu niedrig ist und nach den gesetzlichen Bestimmungen eines Landes nicht deklariert werden muss; sei es, dass der Stoff unter anderem Namen erscheint. «Eine Kostprobe gefällig? Savorlac verstärkt zum Beispiel den Geschmack von Suppen, Sossen, Fertiggerichten und Gewürzmischungen. Hergestellt wird das Produkt aus «fettfreier Milchtrockenmasse» unter Verwendung von Joghurtkulturen. Das cremefarbene Pulver soll den umstrittenen Geschmacksverstärker Natriumglutamat ersetzen. [...] Viele Verbraucher kaufen daher bewusst Produkte ohne Glutamat. Das Geheimnis des Erfolgs von Savorlac ist sein von Natur aus hoher Gehalt an Glutaminsäure. Sie wird durch technologische Kunstgriffe freigesetzt, so dass letztlich schlichtes Glutamat entsteht. Welcher aufmerksame Leser würde wohl das «Trockenmilcherzeugnis» in der Zutatenliste mit dem verrufenen Geschmacksverstärker in Verbindung bringen?»  
   
Jürg Lendenmann
 
       
    Udo Pollmer, Cornelia Hoicke, Hans-Ulrich Grimm: Vorsicht Geschmack. Was ist drin in Lebensmitteln.
344 Seiten, gebunden, etwa Fr. 49.–, Best-Nr. 2606119;
broschiert, etwa Fr. 19.–, Best-Nr. 4572785.
VGS-Bestellservice, Tel. 01 456 30 10,
redaktion@vgs.ch, www.vgs.ch
 
       
    Weitere Infos:
www.hswzfh.ch/lebensmittelch/Bibliothek/rundumlm
www.seilnacht.tuttlingen.com/Lexikon/Cochenil.htm
www.foodnews.ch/x-plainmefood/lebensmittel/
www.meb.uni-bonn.de/giftzentrale/zusatzst/e-nridx.html
 
       
 
Erschienen im VGS-Gesundheitsmagazin November 2001
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