Editorial
Bügeln
   
Liebe Leserinnen, liebe Leser

Gewiss erinnern Sie sich noch ans letzte Editorial: Sprosse um Sprosse erklomm ich eine Leiter als Metapher für die Evolution. Andere Leute kraxeln Karriereleitern hoch. So oder so: Wer hoch hinaus will, muss – Ausnahmen bestätigen die Regel – «tüchtig arbeiten», auf Schweizerdeutsch: äine hèrebügle. Wird dabei zu viel des Guten getan, passieren Fehler, die hinterher ausgemerzt – ausgebügelt werden müssen ... was auch bei übereifrigen AutorInnen und RedaktorInnen vorkommen kann.

Apropos Fehler: Erfrischend finde ich auch heute noch den alten Bürospruch:

«Wer arbeitet, macht Fehler.
Wer viel arbeitet, macht viele Fehler.
Wer wenig arbeitet, macht wenig Fehler.
Wer nichts arbeitet, macht keine Fehler.
Wer keine Fehler macht, wird befördert.»
Könnte die überraschende Logik nicht auch so ausgelegt werden: Keine Fehler macht, wer Arbeit nicht als Arbeit empfindet?
 
am Bügeln
 
Zurück zum Bügeln. Der Duden umschreibt es wie folgt: «Wäsche mit dem Bügeleisen (dem Eisen mit dem bügelförmigen Griff) glätten.» Glette ist nach wie vor eine Domäne der Frauen. Ich kenne viele verheiratete Männer, die kochen und abwaschen, Staub saugen und Fenster putzen, aber nur einen, der auch mit dem Bügeleisen umzugehen weiss.

Frauen sind nicht nur erfahren im Austilgen von Falten, sie beherrschen darüber hinaus die weit anspruchsvollere, «komplementäre» Kunst, Falten gezielt zu setzen. Meine Bügelkünste sind leider noch nicht so weit gediehen: An einem Plissee-Jupe meiner Frau durfte ich mich nur einmal versuchen, und weil sich früher die Bügelfalten meiner Hosen ständig vermehrten, kaufe ich seit Jahren nur noch Jeans, Dockers mit Dauerbügelfalten oder – höchst selten – feine Hosen, deren Befaltung ich den Profis der chemischen Reinigung anvertraue.

Ich beschränke mich aufs Ausbügeln – was nicht minder lehrreich ist. Bügelnd kommt mir oft der Gedanke, Manager könnten bei dieser Tätigkeit das lernen, wozu sie in teure Workshops geschickt werden. Bügeln als Lebensschule, als
Gesundheitsschule gar? Lassen Sie es mich versuchen: Schonendes Schwingen und optimale Feuchtigkeit (> Prävention) erleichtern das Bügeln (> Behandlung) oder können es sogar überflüssig machen. Eine teuere Ausrüstung ist noch kein Garant für gute Resultate. Das Know-how der bügelnden Person (> Arzt/Ärztin, TherapeutIn) entscheidet über den Erfolg. Die Hand, die das Bügeleisen führt (> Arzt/Ärztin, TherapeutIn), muss mit der anderen Hand (> PatientIn) zusammenarbeiten; die Rollen können sich vertauschen. Während des Bügelns (> Therapie) darf die Aufmerksamkeit nicht abschweifen, sonst ist der nächste unerwünschte Falt (> Unfall, Rückfall) nicht weit.

Es macht Spass, weitere Analogien aufzuspüren; Sie können dazu auch Bügeln.

Jürg Lendenmann
Redaktor