Ernährung
 
   
Grüntee  
         
   
Die Geburtsstunde des Tees ist Legenden-umrankt: Bodhidharma – er brachte den Zen-Buddhismus um 520 n. Chr. von Indien nach China – soll einst beim Meditieren eingeschlafen sein. Voller Zorn schnitt er sich beide Augenlider ab und warf sie fort; an der Stelle, wo sie den Boden berührten, wuchsen über Nacht zwei Pflänzchen. Der Mönch pflückt ein Blatt, zerkaute es und erlebte als Erster die belebende Wirkung des Tees.
 
       
    Überlieferungen enthalten oft mehr Wahres, als wir vermuten:  
   
1 Assam (Hinterindien) scheint die Urheimat des Teebaums zu sein;
2 die Verbreitung des Teebaums ging lange Zeit
mit der Ausbreitung des Buddhismus einher;
3 die Form der Teeblätter erinnert an Augenlider;
4 die Blätter können gekaut oder gegessen werden;
Tee wirkt in erster Linie anregend.
 
       
    Teepflückerin  
       
    Der immergrüne Teestrauch Camellia sinensis ist nah verwandt mit den Kamelien. In China gilt er als Symbol für langes Leben und eheliche Treue. Teepflanzen gedeihen in tropischem und subtropischem Klima, vorzugsweise in milderen Lagen zwischen 500 und 2000 m. Um das Pflücken zu erleichtern, werden sie strauchförmig gezogen. Die Qualität der Ernte hängt – wie bei Tabak und Trauben – von verschiedenen Faktoren ab: Natur der Pflanze, Bodenbeschaffenheit, lokales Klima, Zeit der Ernte, Art der geernteten Teile. Am wertvollsten sind Blattknospen – sie enthalten auch die meisten Wirkstoffe – und die jüngsten, silberhaarigen Blätter.  
       
    Nahrungsmittel und Droge  
    Bei der Verarbeitung von Teeblättern zu Grüntee werden diese vor dem Rollen mit Hitze/Dampf behandelt; dieser Vorgang zerstört die Enzyme, die sonst braune und schwarze Farbstoffe bilden würden. Grüntee besitzt ein feineres Aroma als Schwarztee und enthält Stoffe, die fermentiertem Tee fehlen. Tee kann aromatisiert werden durch Räuchern oder durch Zusetzen von Blüten (Jasmin) und Aromastoffen wie Bergamottöl (Earl Grey). Grüner Tee wurde bis vor kurzem fast ausschliesslich in China und Japan getrunken.

In seinem Heimatland zählt der Teestrauch zu den 50 Grundheilpflanzen. Es werden dem Tee ein bitterer und süsser Geschmack und kühlende (lindernde) Eigenschaften zugeschrieben. Die Tagesdosis beträgt 3 bis 9 g in Form von Tee, Abkochung, Pillen oder Pulver. Tee wurde früher in China auch getrunken, um das Leben zu verlängern, die Sehkraft zu verbessern, Schleim zu lösen und den Körper nach Alkoholgenuss zu entgiften. Er ist vor allem für die Steppenvölker Asiens eine wertvolle Nahrungsergänzung, da er neben verschiedenen Vitaminen auch Mangan, Kalium und besonders Fluor in beträchtlichen Mengen enthält.
 
       
   
Teekrug
 
       
    Von China nach Japan...  
    Der Zen-Mönch Eisei kehrte 1190 von China nach Japan
zurück, mit Teepflänzchen im Gepäck. Der Meister pries die wohltuenden Wirkungen des Grüntees: «Im grossartigen Lande China trinkt man Tee. Deshalb leben die Menschen dort lange und haben keine Herzbeschwerden. Unser Land ist vol-ler schwindsüchtiger, kränklicher Gestalten, und das nur, weil wir hier keinen Tee trinken. Wenn Sie schlapp und schlechter Stimmung sind, trinken Sie Tee. Das bringt Ihr Herz auf Trab und schlägt jede Krankheit in die Flucht.» Bald war das Getränk in Japan beliebter als Sake.
 
       
    . . . und in den Westen  
    Erst im 18. Jahrhundert gelangte die Pflanze von China nach Indonesien, später nach den heutigen Hauptexportländern Indien (Darjeeling) und Sri Lanka (Ceylon) und dann nach Europa – zunächst als Droge. Bald wurde der Tee als Lebensmittel eingestuft. Die Volksmedizin bewahrte das Wissen um die Heilkräfte des Tees: innerlich soll er helfen bei Migräne und als Schlankheitsmittel, äusserlich angewendet bei müden Augen, Tränensäcken, Kopfschmerzen und nach Sonnenbrand.  
       
    Wirkstoffe  
    Hauptwirkstoff ist das Koffein; in geringerer Menge im Tee enthalten sind Theobromin und Theophyllin. Je nach Ausgangslage sind deren Effekte mehr oder weniger ausgeprägt: das Schlafbedürfnis nimmt ab; die Aufmerksamkeit, das Wahrnehmungsvermögen für Sinnesreize, das Konzentrations-, Reaktions- und Lernvermögen werden verbessert; die Stimmung wird gehoben und die Herzkranzgefässe werden besser durchblutet. Tee kann hilfreich sein bei zu tiefem Blutdruck sowie bei Migräne.

Grüntee, der über längere Zeit (10 min) gezogen hat, enthält bis zu 25 verschiedene «Gerbstoffe». Diese Verbindungen eignen sich zum Kurieren von leichteren Durchfällen, da sie andere Stoffe und auch Mikroorganismen an sich binden, entzündungshemmend und milde stopfend wirken. Koffein, Theophyllin und Theobromin wirken darüber hinaus harntreibend; da beim Teetrinken viel Wasser aufgenommen wird, können Giftstoffe gut über die Nieren abgeführt werden. Koffein regt auch die Leberenzyme an, was die entgiftende Wirkung unterstützen könnte.
 
       
    Ist allzu viel ungesund?  
    Eine Tasse Tee enthält nur halb so viel Koffein wie eine Tasse Kaffee; da zudem ein Teil des Koffeins an Gerbstoffe gebunden ist und verzögert freigesetzt wird, treten unerwünschte Wirkungen wie Schlaflosigkeit, Herzklopfen und Verstopfung selten auf. Trotzdem: wer nur gelegentlich koffeinhaltige Getränke trinkt, sollte auch Tee nicht plötzlich in grossen Mengen geniessen, und Leute mit krankhaft erhöhter Herzfrequenz meiden ihn besser. Und noch ein Tipp: Verwenden Sie Tee nicht, um Arzneien darin aufzulösen oder sie herunterzuspülen: ein Teil der Wirkstoffe könnte an die Gerbstoffe gebunden werden.  
       
 
Text: Jürg Lendenmann

Erschienen im VGS-Gesundheitsmagazin
Juli/August 2001   >> pdf 400 kB